Carina Konrad

1 Jahr im Bundestag

Am 24. September 2017 sind die Freien Demokraten wieder in den Bundestag eingezogen, nachdem sie vier Jahre lang nicht im Parlament vertreten waren. Am 25. September 2017 hat sich die FDP-Bundestagsfraktion konstituiert – seitdem ist Carina Konrad (36) aus Bickenbach im Hunsrück (Rheinland-Pfalz) nicht nur Landwirtin und Mutter, sondern auch Mitglied des Deutschen Bundestages.

Wie kommt eine junge Landwirtin wie Sie auf die Idee, für die FDP zu kandidieren, die doch oft als Besserverdiener-Partei bezeichnet wird?

Carina Konrad: Das Klischee hat noch nie zugetroffen, auf die neue FDP noch weniger als auf die frühere. Als Liberale setzen wir uns vor allem für die Freiheit und die Chancen des Einzelnen ein, unabhängig von seinem Beruf oder Gehalt. Unternehmerisches Denken ist allerdings auch für Landwirte essenziell und Motivation ist auch abhängig vom Erfolg. Mein Eindruck ist, dass die FDP ist die einzige Partei ist, die einem Erfolg auch gönnt. Das macht uns natürlich für viele attraktiv, auch für Besserverdiener – aber eben nicht nur, sondern auch für alle, die sich nicht mit dem Status quo zufriedengeben. Wir konnten 2017  besonders viele unter 30-jährige Wähler für uns gewinnen. Das führe ich unter anderem darauf zurück, dass diese junge Generation die kurzsichtige Ausgabenpolitik der GroKo nicht hinnimmt und  die Tragweite der Digitalisierung für die Modernisierung unseres Landes erkannt hat.

Was gefällt Ihnen an Ihrer politischen Arbeit?

CK: Keine Woche ist wie die andere. In den Sitzungswochen arbeite ich in Berlin, ansonsten bin ich viel in meinem Wahlkreis unterwegs oder arbeite auf dem Hof mit. Ich lerne sehr viele Menschen mit verschiedensten Hintergründen kennen, die mir erzählen, was sie umtreibt, wie die Politik ihr Leben oder ihren Job erleichtern könnte. Das inspiriert mich, gibt mir Ideen, was man mal anstoßen könnte und was man kritisch hinterfragen muss.

Zum Beispiel?

CK: Unsere Kinder sind der größte Schatz, den wir haben. Ihre individuellen Stärken sind von unschätzbarem Wert in Zeiten, in denen Fachkräftemangel alle Unternehmen beschäftigt. Deshalb brauchen wir dringend mehr Wertschätzung für die berufliche Ausbildung.  Wir brauchen beides:  Meister und Master.

Ich werde oft auf die Dieselfahrverbote angesprochen. Die Menschen fürchten um ihre Mobilität und um ihr Eigentum. Zu recht! Es ist ein riesiges politisches Versäumnis, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Jetzt gilt es, schnellstmöglich Klarheit zu schaffen. Tausende Pendler, Handwerker, Gewerbetreibende stehen sonst vor unlösbaren Problemen. Nicht jeder kann sich mal eben ein neues E-Auto kaufen, wie DUH und SPD das gern hätten. 

Was hat Sie überrascht, als Sie ganz neu im Bundestag waren?

CK: Wie wahnsinnig langwierig viele Prozesse sind und wie viel im Bundestag noch mit Papier und Fax gearbeitet wird, statt die Möglichkeiten zu nutzen, die uns die Digitalisierung bietet. Als ich die Schlüssel für mein Büro haben wollte, musste ich für jeden Schlüssel ein eigenes Formular von Hand ausfüllen. Ein Mitarbeiter des Bundestags hat es dann mit einer Schreibmaschine auf eine Karteikarte getippt, bevor er mir die Schlüssel ausgehändigt hat. Solche Prozesse im Jahr 2018 lassen mich fassungslos zurück. Hier liegt noch viel Arbeit vor uns. Immerhin sind im Bundestag auf Initiative meines Kollegen Marco Buschmann inzwischen Krankmeldungen von Abgeordneten per Mailanhang möglich. Die wurden vorher nur auf Papier anerkannt.

Worüber ärgern Sie sich?

CK: Wenn Politik sich nur mit sich selbst beschäftigt, statt im Sinne der Menschen an einer Sache zu arbeiten. Der ganze Konflikt zwischen Frau Merkel, Herrn Seehofer und Frau Nahles überschattet seit Wochen die Regierungsarbeit und bremst so wichtige Projekte aus, die man dringend angehen müsste. Die Uneinigkeit der Kanzlerin und des Innenministers in der Flüchtlingsfrage und im Fall Maaßen hat nicht nur in vielen anderen Bereichen für einen Stillstand gesorgt, sondern auch dem Ansehen der Politik massiv geschadet und die Ränder weiter gestärkt.

Die Migrationspolitik der GroKo ist ein Desaster und hat zu einem starken Vertrauensverlust in die Politik insgesamt geführt. Es wird Zeit, endlich für Ordnung zu sorgen. Um keine falschen Hoffnungen zu wecken, brauchen wir einerseits einen geordneten Umgang durch ein Einwanderungsgesetz und auf der anderen Seite einen klaren Kompass im Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen.

Wie geht es jetzt weiter?

CK: Ich freue mich auf das nächste Jahr. Wir haben es geschafft, in der kurzen Zeit die Teams – in den Büros und in der Fraktion – aufeinander einzuspielen und ziehen alle an einem Strang. Endlich hat die Landwirtschaft in Deutschland wieder eine Stimme in Berlin. Das ist mir eine Herzensangelegenheit. Gemeinsam mit Gero Hocker, Karlheinz Busen und Nicole Bauer machen wir Agrarpolitik mit Sinn und Verstand. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass auch in Deutschland die nächste Generation noch Spaß daran hat, hier vor Ort Brötchen zu erzeugen. Die Kunden sollen auch in Zukunft regionale Produkte konsumieren können. Dafür kämpfen wir weiter – und zwar, ohne Produktionsrichtungen, Betriebsgrößen oder Wirtschaftsweisen gegeneinander auszuspielen. Wir setzen auf friedliche Koexistenz und wollen den Betrieben die Chancen der Zukunft nicht verwehren.