Carina Konrad

Ein halbes Jahr im Bundestag

Carina Konrad spricht vor dem Deutschen Bundestag

Carina Konrad, FDP-Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz, zieht nach ihren ersten sechs Monaten als Mitglied des Deutschen Bundestages eine Zwischenbilanz.

Seit der Bundestagswahl ist ein halbes Jahr vergangen. Die Regierungsbildung hat sich diesmal so schwierig gestaltet wie nie zuvor in Deutschland. Dachten Sie da nicht ab und an mal, Lindner hätte die Sondierungsgespräche besser doch nicht abbrechen sollen?

CK: Absolut nicht. Ich stehe nach wie vor 100-prozentig hinter dieser Entscheidung meiner Fraktion. Bevor wir all unsere Überzeugungen aufgeben und uns bis zur Unkenntlichkeit verbiegen lassen, machen wir lieber eine vernünftige Oppositionspolitik. Die Zeiten, in denen sich die FDP zum Mehrheitsbeschaffer hat degradieren lassen, sind zum Glück Vergangenheit.

Können Sie aus der Opposition heraus denn überhaupt etwas bewegen?

CK: Absolut. Wir kämpfen, wie wir es vor der Bundestagswahl versprochen haben, weiter für Trendwenden. Mut zur Erneuerung sucht man ja in der GroKo vergeblich. Unsere Aufgabe ist es ja nicht nur, die Regierung zu kontrollieren und an deren Vorstößen herumzumäkeln, vielmehr wollen wir konstruktiv innovative Gegenvorschläge erarbeiten. Wir haben hier in Deutschland viel ungenutztes Potenzial – das sollten wir nicht ignorieren, sondern bestmöglich einsetzen.

Wie haben diese ersten Monate als Bundestagsabgeordnete Ihr Leben verändert?

CK: Mein Terminkalender war noch nie so voll. Früher habe ich mich um unseren Bauernhof und nach Schulschluss um die Kinder gekümmert. Jetzt ist in Sitzungswochen jeder Tag durchgetaktet, oft von früh morgens bis in die späten Abendstunden. Und wenn keine Sitzungswoche ist, habe ich zu Hause auch genug zu tun: Da kümmere ich mich um die Kinder, unterstütze meinen Mann und meinen Vater bei der Arbeit auf dem Hof und nehme Termine im Wahlkreis wahr. Ich besuche zum Beispiel Bürgermeister und Unternehmer vor Ort, um zu erfahren, mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.

Was treibt Sie an?

CK: Ich mache Politik nicht zum Selbstzweck, sondern um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern. Alle Abgeordneten haben nur ein Mandat auf Zeit – keiner weiß, für wie lange. Also möchte ich in der Zeit, die ich habe, so viel wie möglich bewegen. Vom Rummeckern und Nichtstun hat sich noch nie etwas verändert. Neu denken und anpacken heißt die Devise!

Wo liegen Ihre politischen Schwerpunkte?

CK: Die spiegeln sich ganz gut in den Ausschüssen, denen ich angehöre: dem Agrar- und dem Familienausschuss. Hier werden die Themen behandelt, die mir besonders am Herzen liegen: Ich möchte Chancen für die neue Generation auf dem Land schaffen,  die Möglichkeiten der Digitalisierung für Landwirtschaft und Weinbau nutzen, die Gräben zwischen Landwirten und Verbrauchern überbrücken und die Wertschätzung für Landwirte und ihre Produkte erhöhen. Und natürlich setze ich mich auch für die weltbeste Bildung für unsere Kinder und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Als berufstätige Mutter weiß ich nur zu gut, wie schwierig es ist, das alles unter einen Hut zu kriegen. Hier kann und muss die Politik in Zukunft noch bessere Rahmenbedingungen schaffen.

Sie sind von Hause aus Landwirtin. Was wollen Sie in der Politik für die Landwirtschaft bewegen?

CK: Mir ist es ein großes Anliegen, die Menschen zum Umdenken zu bewegen und die Gräben zwischen Verbrauchern und Landwirten zu überbrücken. Wir Bauern sind weder Tierquäler noch Bodenvergifter. Es kann nicht sein, dass Kinder in der Schule gehänselt werden, weil ihre Eltern Bauern sind. Ich vermisse da stark eine Wertschätzung unserem Berufsstand gegenüber. Wir Landwirte leisten doch noch viel mehr, als „nur“ Lebensmittel zu erzeugen! Wir pflegen unsere Kulturlandschaft als Erholungs- und Freizeitraum, für den Tourismus, aber auch für eine neue Generation Leben auf dem Land. Bauern sind häufig ein Anker in der Dorfgemeinschaft und im Vereinsleben, sie engagieren sich, bringen sich ein. Das ist in meinen Augen ein unbezahlbarer Mehrwert für die Gesellschaft. Doch die macht z. B. uns allein für Multiresistenzen verantwortlich oder erwartet, dass wir die Luft und die Gewässer reinhalten. Diese Probleme kann die Landwirtschaft aber nicht alleine lösen. Da braucht sie die Unterstützung der Politik, aber auch der Menschen vor Ort. Die Verbraucher fordern einerseits immer höhere Standards, sind aber andererseits nicht bereit, auch höhere Preise zu bezahlen. Dabei sind Lebensmittel viel mehr wert, als sie uns kosten! Ich kämpfe also für mehr Wertschätzung und Wertschöpfung, außerdem für eine Entbürokratisierung der Landwirtschaft. Und ich will mithelfen, endlich die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Bauern die Chancen der Digitalisierung noch umfänglicher nutzen können: bessere Datenverbindungen und schnelleres Internet im ländlichen Raum.

Bei seinem Besuch in Mainz beklagte Bundespräsident Steinmeier letzte Woche eine allgemeine Politikverdrossenheit. Beobachten Sie die auch?

CK: Leider ist die Politikverdrossenheit auch meiner Erfahrung nach ein Phänomen, das immer mehr um sich greift. Aus diesem Grund versuche ich, gerade junge Menschen wieder für die Politik zu begeistern. Ich besuche zum Beispiel häufig Schulen im Wahlkreis, um mit den Kindern und Jugendlichen über Politik zu diskutieren, ihnen Mut zu machen, dass sie etwas bewegen können. Ende April kommen mehrere Schülerinnen zum Girls‘ Day in mein Berliner Abgeordnetenbüro. Im Juni schicke ich einen Kandidaten für das Planspiel „Jugend & Parlament“ nach Berlin, wo derjenige für vier Tage in die Rolle eines Abgeordneten schlüpfen darf. Ich denke, wenn wir die Kinder davon überzeugen können, dass ihr Engagement für eine Sache nicht ungehört verhallt, sondern sie die Möglichkeit haben, wirklich Veränderungen herbeizuführen in den Bereichen, die sie betreffen, dann kann die Politik auch ein Stück weit ihr mieses Image unter den Jugendlichen überwinden.

Was haben Sie jetzt an Ostern vor: Beine hochlegen und entspannen?

CK: Wir sind katholisch und haben drei Kinder, da hat das Osterfest natürlich eine große Bedeutung für die ganze Familie. In diesem Jahr ganz besonders, weil die Kommunion unseres Sohnes ansteht. Beide Feste feiern wir im Kreise der Familie und mit Freunden – das ist für mich wie ein kleiner Urlaub.

 

Bild: Daniel Rudolph Fotografie