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Rückwärts einparken. Vorwärts führen.

Aktualisiert: 4. Juli


Ein Eindruck meines Impuls zum ersten digitalen Cappuchino des BGL Frauennetzwerkes. Ein Plädoyer für Vielfalt, Haltung – und gegen das Machtspiel mancher Männer.


Es gibt diese seltsamen Reflexe:

Sobald Frauen über Gleichberechtigung sprechen, klingt es für manche nach Genderstern und Gerechtigkeitswahn.

Sobald Unternehmerinnen sich vernetzen, heißt es, sie wollen Sonderbehandlung.

Und sobald man den Begriff „Vielfalt“ ausspricht, ist man in manchen Köpfen schon Volontärin bei linken Onlinemagazinen.


Auf der anderen Seite: Alles soll modern sein. Alles digital. Alles gleichberechtigt.

Aber Fakt ist: Führen, das tun in vielen Branchen noch immer dieselben: meist männlich, meist allein, meist ohne Spiegel. Ich verallgemeinere bewusst nicht, denn Ausnahmen bestätigen immer die Regel. Für mich ist aber klar: Führung ist kein Geschlecht. Führung ist eine Entscheidung. Und eine Verantwortung.


Gerade in der Transport- und Logistikbranche und auch in der Landwirtschaft, wo Frauen längst nicht mehr nur auf dem Beifahrersitz sitzen – sehen wir: Es braucht mehr als Ellenbogen und Ego. Es braucht Weitblick, Teamgeist, Selbstreflexion. Und manchmal eben auch das: rückwärts einparken können. Nicht mit LKW, Traktor und Anhänger, sondern im Denken. Wer uns nach vorne bringen will, muss auch mal zurücksetzen, um danach sauber nach vorne zu kommen.


Das tun viele Frauen längst. Still, strategisch, zuverlässig. Und immer öfter gemeinsam. Sie organisieren sich, nicht, weil sie sich definieren wollen übers Frausein. Das war mir auch immer suspekt. Nein, sie spüren: Der Fortschritt braucht uns. Und manchmal eben auch uns miteinander.


Vielfalt ist kein Frauenthema. Vielfalt ist ein Thema für alle, die gestalten wollen. Für Unternehmerinnen und Unternehmer. Für Politikerinnen und Politiker. Für Jung und Alt. Für Männer und Frauen. Für kluge Köpfe, die wissen: Eine gute Entscheidung braucht mehrere Blickwinkel.


Deshalb ist es höchste Zeit, dass auch Männer sich ehrlich machen. Die, die sich für unersetzlich halten, wenn sie oben sind, haben oft einfach Angst vor denen, die besser sind oder wirksamer sind oder beides. Die wahren Macher sind meiner Erfahrung nach die, die andere wachsen lassen. Die um Rat fragen. Die gezielt Frauen sehen und fördern – und nicht aus Imagegründen, sondern aus Überzeugung. Weil sie wissen: Wer Vielfalt ignoriert, führt schwach.


Und ja, es gibt auch Frauen, die das ignorieren. Und ja, es gibt sie, diese Männer. Die, die sich trauen, Verantwortung zu teilen. Die keine Angst haben vor anderen Stärken. Die nicht jammern, wenn eine Frau neben ihnen sitzt oder vor ihnen fährt oder sie gar überholt.


Deshalb sollten wir weg von Stereotypen. Mit Blick auf diese Männer würde ich sagen: Das sind keine Weicheier (wäre auch nie mein Reflex, aber es gibt ihn halt). Solche Führungspersönlichkeiten sind unsere Zukunft. Und wir sollten dafür sorgen, dass sie sich nicht allein fühlen. Sondern eingebunden, in ein neues Führungsverständnis, das Rückgrat zeigt, nicht nur Rücksichtslosigkeit.


Denn am Ende geht es um mehr als Führung. Es geht um das Bestehen von offenen und freien Gesellschaften.


Ich habe kürzlich den TED-Talk der pakistanischen Politikerin Shad Begum gesehen (Link findet ihr hier) Sie kämpft in einem zutiefst konservativen und religiös geprägten Umfeld für die Rechte von Frauen, mitunter unter Lebensgefahr. Ihre Botschaft war glasklar: „Wir dürfen nicht warten, dass jemand uns rettet. Wir müssen selbst aufstehen.“


Wenn Frauen in Pakistan ihr Leben riskieren, um ihre Stimme zu erheben, dann wird es uns hier in Deutschland doch wohl gelingen, ein paar mutige Sätze zu sagen, ein paar kluge Entscheidungen zu treffen – und uns gegenseitig zu unterstützen.


Denn am Ende geht’s um mehr als Karriere. Es geht um die Frage, wie wir leben wollen und in welchem Land unsere Kinder und Enkel leben werden. Ob Demokratie, Wirtschaft und Gesellschaft von Monologen oder von Dialogen getragen werden. Ob Macht auf Angst basiert – oder auf Vertrauen.


Ich habe keine Patentlösung. Aber ich weiß: Wer immer nur nach vorne prescht, verpasst die Kurve. Wer gemeinsam denkt, kommt weiter. Und wer Vielfalt lebt – fährt vorne mit. Jeder kann bei sich anfangen. Im Kleinen und im Großen.



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