Impuls beim Agrarkarrieretag der TH Bingen
- Carina Konrad
- vor 5 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Warum ausgerechnet ich zum Agrar-Karriere-Tag eingeladen wurde, hat sich mir im ersten Moment auch nicht ganz erschlossen. Mein Lebenslauf ist eher ein Trampelpfad als eine Karriereleite, aber ich bin trotzdem hingegangen.
Ich habe ein paar Gedanken zum Besten gegeben, ziemlich ehrlich, auch persönlich, mit Gummistiefel-Erfahrung und Bundestagsperspektive.
Einen Auszug aus meinem Beitrag findet ihr hier. Ich freue mich über euer Feedback!
Der Bundestag hat sich aufgelöst. Die Regierung ist Geschichte. Und mit ihr war auch unser Auftrag Geschichte. Es gibt dann keinen Brief, keine Dankesrede, keine ordentliche Übergabe. Rückblickend gab es nur eine Urkunde. Sie nennt sich „Entlassung“. Und in dem Moment, in dem sie dem Bundesfinanzminister überreicht wurde, waren auch wir, die 90 Abgeordneten der FDP Fraktion, mitsamt unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Viele haben diesen Moment im kalten November als Befreiung empfunden. Befreiung von der Ampel, von mühsamen Kompromissen, vom ständigen Ringen um kleinste Fortschritte. Aber wer ehrlich ist, weiß auch: Wir waren nicht nur Zeuginnen und Zeugen dieses Scheiterns. Wir waren Teil davon. Und der Wähler hat es uns auf die härteste nur erdenkliche Weise bestätigt: Eine FDP, die nicht regierungsfähig erscheint, wird nicht gebraucht.
Und was machst du jetzt?
Das ist die Frage, die mir im Moment jeder stellt.
Und ja, ich stelle sie mir selbst auch.
Nur: Ich habe darauf noch keine endgültige Antwort. Und vielleicht ist genau das gut so.
Denn wer so viel Verantwortung getragen hat, braucht manchmal einen Moment, um neu zu sortieren, bevor er wieder losläuft. Ich bin gerade in genau diesem Moment. Mandate sind keine Karrierebausteine. Sie sind Leihgaben auf Zeit. Man darf in dieser Zeit einen Dienst erbringen, für unser Land, für seine Menschen, für das Gemeinwesen. Das ist eine große Ehre. Für danach gibt es Keine Garantie und keinen Bonus. Und ich fände es auch falsch dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Denn wer Politik macht, um etwas zurückzubekommen, hat sie nicht verstanden.
Jetzt geht die Zeit eben weiter. Der Titel ist halt weg, aber es gibt ja genug zu tun.
Ich arbeite längst wieder auch wenn es sich gerade nicht nach Erwerbsarbeit anfühlt.
Mit den Händen, mit dem Kopf, mit dem Herzen.
Ich bin wieder auf dem Hof. Und da gibt es immer was zu tun.
Ein paar Zimmer werden renoviert, Zäune repariert, Maschinen gewartet- wie das eben so ist, wenn man Landwirtschaft hat: Die Arbeit fragt nicht nach Lohnzetteln.
Ich genieße es gerade, Zeit zu haben. Zum Nachdenken, zum Anpacken, zum Aufräumen.
Im Haus. Im Kopf. Im Leben. Und auch mal hier beim Agrarkarrieretag nicht nur selbst vorzutragen sondern auch den anderen tollen Impulsen zu folgen.
Und so sehr ich jede Minute in der Politik mit Leidenschaft gelebt habe,
ich bin auch dankbar für diese Zwischenzeit.
Was ich noch nicht weiß ist:
Ob ich vielleicht ein Unternehmen gründe, ob ich weiter öffentlich wirke oder etwas ganz Neues aufbaue.
Aber ich in den letzten Wochen viel darüber nachgedacht, was mich antreibt. Und das ist unverändert zu dem Moment im Jahre 2005, als ich mit dem Diplom in der Hand hier vom Campus gefahren bin.
Ich will Verständnis schaffen. Brücken bauen. Verantwortung übernehmen und übersetzen.
Und wenn das gebraucht wird, dann findet sich auch der nächste Schritt.
Was ich für damals noch nicht wusste, für was meine Fähigkeiten gut sind. Wenn ich beschreiben soll was ich besonders gut kann würde ich sagen: Ich bin in den letzten 20 Jahren zu einer Dolmetscherin geworden. Nicht zwischen Sprachen, sondern zwischen Wirklichkeiten. Zwischen Politik und Praxis. Zwischen denen, die entscheiden und denen, die jeden Tag dafür arbeiten, dass dieses Land funktioniert. Zwischen Ministerium und Melkstand. Zwischen Gesetzestext und Lebenswirklichkeit. Das kann ich wirklich gut. Ich schöpfe dabei aus meiner Erfahrung und meiner Leidenschaft. Dafür braucht man weder Parolen noch gigantische Lautstärke. Sondern Substanz. Und die bekommt man in einem Agrar Studium wie in keinem anderen Bereich.
Ich habe im Mandat viel gelernt. Über Prozesse, über Macht, über Politik. Aber vor allem habe ich gelernt, wie wichtig es ist, verwurzelt zu bleiben. In der Familie. Im Freundeskreis. Und viele dieser Freundschaften, viele davon haben hier in Bingen angefangen. Zwischen Hörsaal und Hof. Und sie tragen mich bis heute. Wenn alles wackelt, dann waren die da. Und das ist vielleicht das Wertvollste, was bleibt: Nicht der Titel. Nicht das Mandat. Sondern die Menschen.
Woran misst man eigentlich Karriere?
In Hektar? Euro? Dienstwagen? Oder an Gesprächen, Freundschaften, Momenten, in denen man weiß: Das war richtig so? Ihr müsst das für euch selbst entscheiden. Was Karriere ist. Was Erfolg bedeutet. Was euch antreibt. Denn am Ende zählt kein perfekter Lebenslauf sondern ein klarer Kompass. Einer, der euch nicht durchs Bewerbungsverfahren führt sondern durchs Leben.
Denn am Ende geht es nicht um den perfekten Lebenslauf, sondern um den Mut, ihn selbst zu schreiben!
Das ist mein Rat für eure Karriere. Und vielleicht ist das nicht nur ein Satz für den Agrarkarrieretag. Vielleicht ist es der einzige Weg, wie neue Wege entstehen.
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