Koalitionsvertrag. Versprechen, Verantwortung, Wachstum?
- konradcarina
- vor 4 Tagen
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Aktualisiert: vor 2 Tagen
Ich habe leider selbst erlebt, was Streit aus Erfolgen macht: Er macht sie unsichtbar.
Als Fraktionsvize habe ich viele Gesetze verhandelt. Manche bleiben einem in besonderer Erinnerung. Ich erinnere mich noch genau an Verhandlungen im Jahr 2023. Drei Menschen. Drei Parteien. Drei völlig unterschiedliche Weltbilder. Aber wir hatten ein gemeinsames Ziel: Deutschland endlich wieder in Bewegung bringen. Es war zäh. Es war hart. Aber es war notwendig. Denn die Verkehrsprognosen und die Zustandsberichte über unsere Infrastruktur waren eindeutig.
Detlef Müller von der SPD, Julia Verlinden von den Grünen und ich. Wir drei wussten, dass wir es nicht zerreden durften. Dass wir nicht noch eine Legislatur verstreichen lassen konnten, während Brücken bröckeln, Bahnstrecken ausfallen und Unternehmen auf Baustellen warten, die nie beginnen.
Das Ergebnis: Das neue Planungsbeschleunigungsgesetz.
Es war bis dahin das größte Entbürokratisierungsprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik und es wäre ohne unseren gemeinsamen Willen gescheitert.
Wir haben damals etwas erreicht, was viele uns nicht zugetraut hätten:
Ersatzneubauten von Autobahnbrücken können jetzt deutlich schneller genehmigt werden, ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn es sich um einen bestehenden Standort handelt. Das besondere ist, das diese Ersatzneubauten auch vergrößert werden können an bestehenden Standorten, um anwachsende Verkehre aufzunehmen.
Für weit über 4.000 Brücken in Deutschland ist das eine Revolution, nicht auf dem Papier, sondern in der Realität der Pendler, der Logistik, der Wirtschaft.
Und auch der Schienenausbau, Engpassbeseitigung , Ausbau der elektroladesäuleninfrastruktur und Lärmschutz profitieren, weil wir Verfahren gestrafft und auf das Wesentliche fokussiert haben.
Wir haben ein Gesetz gemacht, das nicht nur Papier füllt, sondern die Lebensrealität in Deutschland verändert, auf Jahrzehnte.
Doch was kam danach? Statt das Gesetz als gemeinsamen Erfolg für unser Land zu feiern, wurde es zerredet. Nicht nur von der Opposition, sondern auch Teile der Koalition haben sich im Klein-Klein verloren. Die einen frohlockten, weil bestimmte Autobahnabschnitte nicht berücksichtigt wurden, ein ideologischer Triumph. Die anderen empörten sich, weil genau das ihre Wahlkreise traf, ein strategisches Versäumnis. Und so wurde ein Jahrhundertgesetz kleingeredet. Zerredet. Öffentlich zerrissen.
Niemand hat wirklich mitbekommen, dass dieses Gesetz zur Modernisierung unseres Landes nach Jahrzehnten des Stillstandes endlich ins Werk gesetzt wurden.
Dass nicht nur Windräder ihr Ziel erreichen müssen, sondern auch der Krankenwagen. Dass ein Sozialstaat nur funktioniert, wenn LKWs pünktlich liefern. Das alles mit allem zusammen hängt. Dass eine Wirtschaft nur dann wächst, wenn Investitionen nicht in Genehmigungsakten stecken bleiben.
Und hier liegt die eigentliche Bedeutung eines Koalitionsvertrags. Und es deutet sich bei der neuen Koalition aus CDU/CSU und SPD leider schon vor der Wahl des Bundeskanzlers an, dass sie sich entschieden haben, alle Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
Ein Koalitionsvertrag ist nicht dafür da, jedes Parteibuch zu schonen. Sondern um gemeinsam zu entscheiden und gemeinsam zu tragen. Er ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern das Versprechen, größer zu denken als die eigene Blase. Er ist ein Angebot an das Land und ein Auftrag an die Handelnden.
Wer diesen Auftrag annimmt, muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Nicht im Rampenlicht. Sondern in den Sitzungen, in denen gestritten wird. Und in den Momenten, in denen man am liebsten aufgeben würde aber weitermacht. Denn das ist Demokratie. Nicht perfekt. Aber möglich.
Ein Koalitionsvertrag ist kein Wunschzettel. Er ist ein Pflichtenheft. Er ist ein Angebot an das Land und ein Auftrag an die Handelnden. Er soll nicht jedem gefallen aber er soll dem Land dienen. Er ist sicher kein Zauberpapier. Aber er ist der Ort, an dem sich politische Gegensätze auf ein gemeinsames Ziel einigen: auf Fortschritt. Auf Wachstum. Auf eine Zukunft, in der mehr möglich ist, statt weniger.
Viele Bürger haben mich immer gebeten. Seid doch einig. Ich glaube Stabilität entsteht nicht durch Einigkeit, aber durch Einigkeit im Ziel.
Wenn Koalitionen das Ziel aus den Augen verlieren, beginnt der Streit. Und der hat nun schon ziemlich schnell begonnen. Dann kann nicht regiert werden, sondern dann wird nur taktiert. Dann geht es nicht um das Morgen, sondern um den Applaus von heute. Und genau das ist Wasser auf die Mühlen der politischen Extreme.
Denn Menschen wollen wahrscheinlich gar keine perfekte Politik. Aber sie erwarten Richtung. Sie wollen sehen, dass jemand entscheidet. Dass nicht jedes Problem zerredet, sondern angepackt wird.
Machen statt meckern. Entscheiden statt zerlegen. Verantwortung übernehmen statt ausweichen.
Dafür steht ein Koalitionsvertrag. Und dafür braucht es Koalitionspartner, die nicht nur unterschreiben, sondern auch handeln.
Denn am Ende geht es nicht um die Frage, wer recht hat, sondern was dem Land hilft.
Wer diesen Auftrag annimmt, muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Nicht im Rampenlicht. Sondern in den Sitzungen, in denen gestritten wird. Denn der Streit ist notwendig. Er bringt unterschiedliche Sichtweisen an einen Tisch. Und es kommt vor, das man selbst auch mal nicht recht hat. Diese Stärke zur Einsicht ist keine Kapitulation vor den eigenen Werten, manchmal ist es notwendig einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Und in den Momenten, in denen man am liebsten aufgeben würde, dennoch weitermacht.
Denn das ist Demokratie. Nicht perfekt. Aber möglich.
Aber dafür braucht es Klarheit im Ziel. Wachstum. Modernisierung. Vertrauen.
Denn wer schon bei der Unterschrift zaudert, wer die Einigung zerredet, bevor sie wirkt, der spielt nicht nur mit einem Vertrag, sondern mit der Zukunft eines ganzen Landes.
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