FDP, Vertrauen und das Dogma. Ein Denkanstoß
- Carina Konrad
- 18. Juli
- 3 Min. Lesezeit
🔍 FDP, Vertrauen und das Dogma, ein Denkanstoß nach einem Cicero Interview mit Harald Christ, Nicole Büttner und Roland Berger.
Das Interview von Harald Christ mit Nicole Büttner und Roland Berger hat bei mir einen Nerv getroffen, weil es eine Frage offen stellt, die leider weiter unbeantwortet bleibt:
War das Festhalten an der Schuldenbremse bzw. deren starre Auslegung ein Ausdruck von Prinzipientreue, oder ein Fehler, der Vertrauen gekostet hat?
Natürlich erwarten die Menschen solide Finanzpolitik. Das ist auch mein Anspruch. Doch was heißt solide? Solide heißt doch:
Dass Brücken halten.
Dass Bildung gelingt.
Das der Arbeitsplatz bleibt.
Dass der Staat nicht lähmt, sondern schützt und befähigt.
„Verantwortung“ ist mehr als das Besetzen von Positionen. Es ist der Wille, das Mögliche möglich zu machen. Und genau da hat die FDP leider sehr viel Vertrauen verspielt.
Ein Rückblick zum Herbst 2023: Das Bundesverfassungsgericht hat den Klima- und Transformationsfonds für falsch erklärt und damit 60 Mrd Euro Druck auf die Ampel erzeugt. Die FDP stand außerdem unter dem Druck einer CDU in der Opposition, die sie zu harter Sparsamkeit zwang. Die gleiche CDU, die sich selbst direkt nach der Wahl ein historisches Sondervermögen genehmigte.
Aus Angst, als wacklig in der Finanzpolitik zu gelten, wurde mit Härte und Unbeweglichkeit reagiert. Und stellten damit nicht nur die Koalitionsfähigkeit, sondern auch das Vertrauen vieler Menschen infrage. Was folgte waren mehr als nur die Proteste zehntausender Bauern. Es folgte ein tiefer Vertrauensverlust, in die Regierung, aber allen voran in die FDP.
Dabei gab es Fortschritte, ich selbst habe sie mit umgesetzt oder angestoßen: die digitale Kfz-Zulassung, der digitale Führerschein, die Zulassung von HVO 100, das Deutschlandticket, die Planungsbeschleunigung, die Bahnreform, uvm. Alles echte Reformen und große Schritte für die Modernisierung unseres Landes. Aber sie wurden kaum erzählt, nicht verteidigt, oft sogar intern blockiert.
Weil die Regierung nicht als Raum zum Gestalten begriffen haben, sondern als Bühne zur Selbstprofilierung.
Und noch etwas: Weder Umweltpolitik, noch Klimapolitik, noch eine Reform der Schuldenbremse sind automatisch „linke“ Themen.
Es entsteht der Eindruck, dass wir als Liberale bei allem, was vermeintlich nach grün oder links klingt, reflexhaft auf Rückzug schalten, selbst wenn es eigentlich um ur-liberale Anliegen geht: Generationengerechtigkeit, kommunale Entscheidungsfreiheit, moderne Infrastruktur.
Ich erinnere an eine Debatte zur Straßenverkehrsordnung: Es ging darum, Kommunen zu ermöglichen, vor Kitas und Schulen einfacher Tempo 30 auszuweisen, also um Sicherheit im Alltag und die Stärkung der kommunalen Selbstentscheidung. Aber allein, weil das Thema auf einem Feld lag, das die Grünen dominieren, wurde dieser liberale Schritt nicht sichtbar – aus Angst, als „zu grün“ zu gelten.
Für mich gilt auch bei der Schuldenbremse: Es ist nicht links, sie weiterzuentwickeln, um gezielt in Infrastruktur, Bildung und Verteidigung zu investieren. Es ist falsch, es nicht zu tun.
Was für mich links ist, ist Umverteilung ohne Wirkung.
Was liberal ist, ist gezielte Investition in Freiheit, Chancen und Zukunft.
Ich frage mich manchmal: Was wäre gewesen, wenn grade die FDP Verantwortung nicht mit Verharren, sondern mit Veränderung verwechselt hätten?
Wenn wir kompromissfähig gewesen wären, nicht aus Schwäche, sondern aus strategischer Stärke?
Die FDP hätte der Ampel Koalition Richtung geben können. Und dem Land Mut.
Denn: Vertrauen entsteht nicht durch Prinzipien, sondern durch Lösungen.
Danke, Harald, dass du die Debatte geöffnet hast.
Und Nicole: Du kannst Teil der Lösung sein, weil du Zukunftsthemen klar benennst. Wenn wir gemeinsam bereit sind, nicht nur neu zu fordern, sondern neu zu führen.
Natürlich braucht jede Veränderung Erkenntnis. Aber der Blick in den Rückspiegel und das Zuschreiben von Schuld bringen niemanden weiter. Entscheidend ist, ob wir als liberale Kraft in der Mitte unseres Landes bereit sind, aus dem Erlebten die richtigen Lehren zu ziehen, und endlich wieder nach vorne zu fahren.